Mut, sich selbst zu vertrauen
Svala - Protagonistin in den Jugendkrimis des schwedischen Autorinnentrios Emma Vall
Emma Valls Svala-Figur bringt neue Impulse für den Jugendkrimi
Svala ist gerade 14, als sich ihre Eltern scheiden lassen. Svalas Mutter
Aisa kehrt zunächst zu Selbstfindungszwecken zurück in ihre isländische
Heimat, während Vater Jan irgendwo auf dem Balkan mit einem Lebensmittelkonvoi
unterwegs ist. Von nun an sind Svala und ihr drei Jahre älterer Bruder
Petúr also auf sich allein gestellt.
Das bringt natürlich manchmal Probleme mit sich, wie das, das kein Geld
für Einkäufe auf dem Konto ist oder der Kühlschrank immer leer.
Aber die elternlose Zeit bedeutet auch Freiheit. Freiheit, die notwendig ist,
um Lebensformen auszuprobieren, die Welt, das Leben und sich selbst zu erforschen
und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Den eigenen Weg finden
Zu so einem sich selbst überlassenen, jugendlichen Leben gehören beispielsweise
Svalas zahllose Stunden im Café Kafka, wo sie im ersten Band "Egna
Spår" (Eigene Spuren) die meisten Stunden verbringt. Hier schnappt
sie auch das ein oder andere im Zusammenhang mit der Freilassung von Nerzen
auf Tynningö auf, einer Insel vor Stockholm gelegen. Eine junge Gruppe
Veganer wird dafür in den Medien verantwortlich gemacht, doch Svalas veganische
Freunde aus dem Café Kafka bestreiten dies. So macht sich Svala schließlich
selbst auf den Weg zu der Schäreninsel und gerät dabei in ihr erstes
großes Abenteuer. Ihre Stärke bezieht Svala dabei aus ihrem isländischen
Erbe, wo das Irrationale und die Anwesenheit mystischer Naturwesen noch ganz
selbstverständlich sind. Ein Lavastein, den Svala von ihrem isländischen
Großvater erhielt, weist ihr dabei den Weg, wenn sie zweifelt.
Ziviler Ungehorsam schafft gesellschaftliche Veränderungen
Doch Svala ist nicht nur mutig, wenn es darum geht, Nerzfarmern zu trotzen
und auf eigene Faust zu recherchieren. Mutig ist sie auch, wenn es darum geht,
ihre Meinung zu vertreten. Ziviler Ungehorsam schafft gesellschaftliche Veränderungen.
Wenn die Frauen nicht für ihr Wahlrecht gekämpft hätten, hätten
wir heute noch kein Stimmrecht, argumentiert Svala während einer Unterrichtsstunde
in Gesellschaftskunde und widersetzt sich damit ihrem Lehrer, der Gehorsam
als gesellschaftliche Stütze der Demokratie verteidigt. Aus Protest gegen
ihren Lehrer, der sich auf keine ernsthafte Diskussion mit dem pubertierenden
Mädchen einlassen will, sondern am Lehrplan festhält, sitzt Svala
mit ihrer Freundin Matilda den Rest der Stunde mit erhobenen Händen im
Unterricht.
Krimi als gesellschaftskritischer Entwicklungsroman1
Es sind vor allem solche gesellschaftskritischen und vermeintlichen Neben-Themen
und -Schauplätze, die die Svala-Krimis wieder unverkennbar zu einem skandinavischen
machen. Positiv zu bewerten ist in diesem Zusammenhang, dass die vier Svala-Bücher
(Egna spår, Sabotage, Bränd bild und Farligt vatten) die verschiedenen
Jugendströmungen, ihre Gedanken, Gefühle, Ängste und Zweifel,
aber auch ihren Mut und ihren Idealismus widerspiegeln und ihnen ein wahres
Forum bieten ebenso wie es nur konsequent ist, Svala und Pétur einen
familiären Hintergrund zu geben, der durch die Trennung der Eltern wesentlich
geprägt ist - eine Erfahrung, die heute viele Kinder und Jugendliche
machen müssen. Zudem gelingt es Emma Vall stets, die Unsicherheit, die
man als Teeanger verspürt, und auch die mangelnde Geborgenheit, die heute
viele Jugendliche erleben, in authentische Worte zu fassen, ohne jemals in
einen elterlich-belehrenden Erwachsenen-Ton zu fallen. In diesem Sinne könnte
man die Svala-Bücher einen gesellschaftskritischen Entwicklungsroman
nennen, der sich jedoch das Krimi-Muster geschickt zunutze macht, um seine
Botschaft zu transportieren.
Authentische Jugendkrimis
Die Krimi-Plots sind dabei direkt aus der Wirklichkeit der Jugendlichen genommen.
In "Bränd bild" (Verbranntes Bild) beispielsweise geht es um
junge Mädchen, die mit dem schönen Versprechen auf eine Modell-Karriere
zum Fotografieren und Posieren gelockt werden. Doch der charmante, junge Fotograf
entpuppt sich nicht als Edelmann und Traumprinz, sondern er erpresst die Mädchen
mit den Bildern. Noch schlimmer, wenn die Mädchen mit Drogen betäubt
und gegen ihren Willen nackt fotografiert werden, um diese Bilder dann ins
Internet zu stellen.
Wenn wir am Ende des vierten Bandes, "Farligt vatten" (Gefährliches
Wasser), Svala mit 17 Jahren verlassen, ist aus dem unsicheren, scheuen und
manchmal leicht spröden Teenager eine selbstbewusste, mutige junge Frau
geworden. Svala ist die weibliche Identifikationsfigur im Jugendkrimi, auf
die man schon lange gewartet hat. Zeit, dass Svala auch ins Deutsche übersetzt
wird!
Du darfst gerne aus unserem Artikel in deinen Hausarbeiten und Referaten zitieren,
aber bitte vergiss nicht, uns als Quelle anzugeben!
Definition des Begriffs "Entwicklungsroman" |
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Entwicklungsroman:
Roman, der in sehr bewusster und sinnvoller Komposition den inneren und
äußeren Werdegang eines Menschen von den Anfängen bis zu
einer gewissen Reifung der Persönlichkeit mit psychologischer Folgerichtigkeit
verfolgt und die Ausbildung vorhandener Anlagen in dauernden Auseinandersetzungen
mit den Umwelteinflüssen in breitem kulturellem Rahmen darstellt. (
)
Zitiert nach: Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart:
Kröner Verlag, 19796.
Der Entwicklungsroman bezeichnet einen Romantypus, in dem die Entwicklung
einer einzelnen Zentralfigur beschrieben wird. Er schildert eine große
Menge von Einzelheiten über die Erlebnisse und Erfahrungen des Protagonisten
und deren psychologische Verarbeitung bzw. Integration in seine Persönlichkeit.
Zitiert nach: http://infos.aus-germanien.de/Entwicklungsroman
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