„Bis  dein Zorn sich legt“ – das neue Buch der erfolgreichen schwedischen
          Krimi-Autorin Åsa Larsson
          
          „Wir hatten keine  Ahnung, dass wir sterben würden. Dass uns nur fünf Stunden blieben.“ Mit dem  brutalen Doppelmord eines jungen Liebespärchens direkt am Anfang ihres neuen  Buches „Bis dein Zorn sich legt“ fesselt Åsa Larsson den Leser. Und die  Spannung lässt bis zur letzten Seite nicht nach. Ein Kunststück, das eine der  beliebtesten Krimiautorinnen in Schweden mit Bravour meistert. Mit buntem  Hippietuch um den Hals, Nickelbrille und einer Größe von 1,56 Metern wirkt die  43jährige wie ein junges Mädchen, das keiner Fliege etwas zuleide tun kann.  Doch ihre Mordphantasien haben es in sich. Ihr erstes Buch „Sonnensturm“ wurde  als bestes schwedisches Krimidebüt gekürt, ihr zweites Buch „Weiße Nacht“ als  bester Krimi des Jahres 2004. Larsson gibt freimütig zu, „Blutvergießen und  zertrümmerte Knochen zu lieben“. Aber das allein reicht nicht aus, um  Bestsellerlisten zu erstürmen. Das Krimikonzept dieser Schwedin basiert auf  viel Subtilerem.
          
          
          
 Die verborgenen Brücken
 Die verborgenen Brücken
          
          
          
            
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                    | Åsa Larsson - Fotograf: Bernd Walther |  | 
            
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          Die Ideen für ihre  Bücher entstehen aus einer Mischung von Realität und Eingebung. Für ihr  aktuelles Buch wurde sie durch die wahre Begebenheit zweier Jungen, die sich in  den 40er Jahren sieben Tage lang im Wald verirrt hatten, inspiriert. Ein im  Wasser abgestürztes Flugzeug flog ihr dann einfach zu, „es war auf einmal im  Kopf da“. Für Larsson besteht die Kreativität darin, die „verborgenen Brücken“  zwischen diesen Geschichten herzustellen, „mein Hirn liebt es, die Puzzlestücke  zusammenzusetzen.“ Herausgekommen ist ein Thriller mit einer psychologischen  Tiefe, die berührt. Es geht um ein junges Paar, das nach einem Flugzeugwrack in  einem vereisten See taucht und erstickt, weil jemand das Loch im Eis  verschließt. Das Flugzeug birgt ein Geheimnis, das mit der jahrzehnte alten  Tragödie eines Brüderpaares zu tun hat. Das Beziehungsgeflecht zwischen den  Figuren im Buch ist ver-worren, verhärtet und verknotet. Es kann gelockert,  aber nicht völlig entflochten werden. In verdrängter Schuld, der späten Suche  nach der Wahrheit und der Angst bleiben sie einander verbunden – im Positiven  wie im Negativen. Nach dem Lesen ist man überrascht, dass der Mörder am nachhaltigsten  in Erinnerung bleibt, man empfindet Mitgefühl, ja man wünscht sich sogar, dass  er ungestraft davonkommt.
          
          Das Böse und Gute relativieren sich, verkehren sich  ins Gegenteil. .„Jeder von uns trägt beides in sich“, sinniert die Autorin, „es  gibt nicht die eine wahre Gerechtigkeit“. Dass die ruhelose Seele des  Mordopfers an den Ermittlungen teilnimmt, ist eine Variante, die fasziniert.  Die Tote führt als Geist die Ermittler auf die richtige Spur. Das verwirrt  keineswegs, sondern macht es noch spannender. Für Åsa Larsson gibt es nur „eine  dünne Wand zwischen dem, was ich sehe und dem großen unbewussten Ich“. Neben  ihrem Hang zum Übersinnlichen beschreibt die Autorin ihre Frauenfiguren im  Alltag aber real und ohne Heldentum, sodass sich auf jeden Fall Leserinnen in  ihnen wiedererkennen können. Die ermittelnde Staatsanwältin Rebecka durchleidet  Unsicherheiten und Angst in ihrer Liebesbeziehung und Polizeiinspektorin Anna  Maria ärgert sich, dass ihr Mann sie nicht in die Arme nimmt, wenn es ihr  schlecht geht.
          
          
 Der Zorn und das Heimweh
 Der Zorn und das Heimweh
          
          
            
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                    | Åsa Larsson - Fotograf: Bernd Walther |  | 
            
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          Larssons Krimis sind auch Reiseführer. Sie spielen alle in ihrer  Geburtsstadt Kiruna, die 200 Kilometer nördlich des Polarkreises liegt. Eine  Gegend, die selbst vielen Schweden fremd ist. Die Nordschwedin beschreibt  kein Ikea, Lindgren, Elch & Co., sondern  eine weite, einsame Gebirgswelt (der höchste Berg Schwedens liegt hier) mit  6000 Seen und einer monatelangen arktischen Kälte von meist minus 30 Grad. Im  Sommer ist es dafür mit dem unvergleichlichen Polarlicht rund um die Uhr hell.  Der Menschenschlag ist hier eigenwillig, klaglos und mit großer Arbeitsmoral.  Allerdings, so erklärt Åsa Larsson, habe sie mit diesem Kiruna-Erbe kein  Talent, etwas zu genießen. Sich der Lust und Freude hinzugeben, musste sie sich  erarbeiten. So habe sie erst jetzt gelernt, Genuss zu empfinden, dass sie mit  ihrem Hobby, dem Schreiben, ihren Lebensunterhalt verdient. Ihre vier Bücher  mit Rebecka und Anna Maria sind inzwischen in 15 Sprachen übersetzt worden. Der  „Sonnensturm“ wurde sogar verfilmt und lief auch im Deutschen Fernsehen. Zwei  weitere Bücher sind noch geplant, dann ist Schluss. Abschied von ihren beiden  Ermittlerinnen zu nehmen, fällt Larsson schwer, sie sind ein „Teil meiner  Familie“ geworden, aber „ich mache es wie die Männer, ich mache erst Schluss,  wenn ich jemand Neues habe.“
          
          
          
          Und ein Neuer bahnt sich schon an. Ein  Landpolizist zu Beginn des 20. Jahrhunderts, über den sie schon einige  Kurzgeschichten geschrieben hat. In ihren Beruf als Steueranwältin möchte sie  nicht wieder arbeiten, doch in ihre Heimat Kiruna möchte sie irgendwann zurückkehren.  Zurzeit lebt sie mit ihren zwei Kindern, Pudel und Freund in Mariefred  südwestlich von Stockholm. Hier schreibt sie nicht nur gegen ihr Heimweh nach  dem Hohen Norden an, sondern reagiert damit auch ihre Aggressionen ab. Als ihre  Tochter jüngst in der Schule gemoppt wurde, konnte sie nächtelang vor lauter  Wut nicht schlafen, „ich hätte sie alle umbringen können“. Stattdessen „haute  sie die Morde in die Computertasten“ und konnte danach wieder „liebevoll und  gütig sein“. Ihr Zorn hatte sich gelegt. Auch als Leser legt man trotz der  blutigen Morde ihr Buch mit einem erstaunlich milden Gefühl aus der Hand.
          
          
          
          
          
          
          
Fotograf: Bernd Walther
          Autorin und © Suzanne  Forsström 2009
          Suzanne Forsström ist schwedische Journalistin und schreibt in den    deutschen Medien über ihr Heimatland.
          Kontakt: info@suzanne-forsstroem.de
Zu Verfügung gestellt für das Literaturportal schwedenkrimi.de 
            - Krimikultur Skandinavien
            
            
                  
                  
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